Was für eine Unterkunft hatten Sie im Gastland? Wie haben Sie diese gefunden?
Ich habe die ersten fünf Wochen vor Studienbeginn einen Sprachkurs an der Sprachschule DonQuijote absolviert und während dieser Zeit bei einer Gastfamilie gewohnt. Dies habe ich über die Organisation ESL (http://www.esl.ch/de/sprachaufenthalt.htm ) gefunden. Ich habe bei einer 70 Jahre alten Frau gewohnt und sie war sehr nett und hilfsbereit. Ich fand dies einen super Start in mein Erasmussemester, weil ich dadurch mit dieser Frau nur Spanisch gesprochen habe und ebenfalls an der Sprachschule meine, vor allem mündliche, Sprachkenntnisse stark verbessern konnte. Während diesen fünf Wochen hatte ich auch Zeit eine WG zu suchen. Ich hatte gehört, dass es in den Strassen rund um die Universität (Avd. de Blasco Ibañéz, Campus Tarrongers) viele Zettel hat mit ausgeschriebenen Wohnungen für Studenten. Ich habe mich darauf auf die Suche gemacht, d.h. angerufen und Wohnungen angesehen, bis ich eine gefunden habe, die mir gefallen hat. Benimaclet ist ein gutes Viertel und natürlich Wohnungen an der Avd. de Blasco Ibañéz sind sehr praktisch, weil sie nahe der Universität sind und ausserdem nicht weit weg vom Strand. Die Preise sind je nach Wohnung und Lage sehr unterschiedlich, so liegen sie etwa zwischen 200 –300 Euro pro Zimmer. Wichtig ist zu schauen, ob die Nebenkosten im Preis inbegriffen sind oder nicht.
Wie war die Betreuung durch die Gastuni? Gab es ein Orientierungsprogramm?
Die Betreuung durch die Gastuniversität empfand ich etwas spärlich. Valencia hat sehr viele Erasmusstudenten und die Universität wirkte manchmal etwas überfordert mit dieser grossen Anzahl an Studenten, von welchen manche kein Spanisch sprachen. Als ich in Valencia angekommen bin, habe ich mich beim Internationalen Büro an der Universität angemeldet und eine Mappe mit einigen Informationen erhalten. Allerdings waren darin nur allgemeine Informationen über die Universität und die Stadt enthalten und nichts über den Studienplan, geschweige denn über die Studienfächer. Ab dem 1. September konnte man dann beim Sekretariat (da ich BWL studiere) der Wirtschaftsfakultät vorbeigehen und dort erhielt man einen Zettel auf dem stand, wann der Einführungstag ist. Es ist wichtig, sich möglichst früh beim Sekretariat der Wirtschaftsfakultät anzumelden, weil davon abhängt, wann man sich für die verschiedenen Studienfächer registrieren kann. Die Kursanmeldung erfolgt zu einem bestimmten, individuellen Termin, der am Einführungstag bekannt gegeben wird, wo man dann auch persönlich vorbeigehen muss. Die Plätze für die Kurse sind limitiert, das heisst „first come, first serve“. Am Einführungstag erhält man die wichtigsten Informationen wie beispielsweise die Adresse des Internetportals, um die Fächer auszuwählen und den Stundenplan zusammenzustellen (was sich aber dann am Tag der Immatrikulation noch ändert, da man aus Platzmangel meistens nicht alle die Kurse belegen kann, die man möchte). Zudem hat jeder Student einen Fachkoordinator zugeteilt. Im BWL hat es insgesamt zwei Fachkoordinatoren für alle Studenten, das heisst für alle Fragen, die nicht das Learning Agreement betreffen, sollte man sich an jemanden anderen wenden. Zusammengefasst kann man sagen, dass durch die vielen Erasmusstudenten die Organisation der Universität etwas überfordert ist und dass man sich daher die Informationen vorwiegend selber, entweder über die Homepage der Fakultät oder durch andere Studenten, beschaffen muss.
Wie war der Kontakt zu einheimischen Studieren? Wie war der Kontakt zu anderen Austauschstudenten?
Dadurch dass es in Valencia so viele Erasmusstudenten gibt, hat es sehr viele (ausseruniversitäre) Organisationen, die Ausflüge in der Stadt und Umgebung, aber auch Reisen in verschiedene Städte organisieren. Ebenfalls bieten diese immer wieder Abendunterhaltung (Parties, typisches Essen und Musik, etc.). Durch diese Aktivitäten ist es sehr einfach mit anderen Austauschstudenten in Kontakt zu kommen und ich habe dies sehr geschätzt. Den Kontakt zu einheimischen Studenten ist etwas schwieriger zu finden. Es hängt natürlich auch stark vom individuellen Sprachniveau ab und welche Kurse man belegt. Wenn man aber offen auf die Spanier zugeht, sind sie sehr freundlich und hilfsbereit. Eine gute Option, um den Kontakt zu Spaniern zu fördern, ist, an einem „Tandem“ teilzunehmen. Das heisst, ein Spanier möchte die Sprache des Austauschstudenten lernen und der Austauschstudent Spanisch. Somit kann man zum Beispiel ein Kaffee zusammen trinken und eine Stunde in Spanisch und eine Stunde in der Sprache des Austauschstudenten sprechen. Ich hatte mehr Kontakt zu anderen Austauschstudenten, einerseits wegen den Aktivitäten, die organisiert wurden und andererseits weil es auch schön ist Leute zu treffen, die in derselben Situation sind und ganz viele verschiedene Kulturen kennen zu lernen. Natürlich habe ich auch viele spanische Freunde gefunden, was meine Spanischkenntnisse auch deutlich verbessert hat.
Wie sind Sie sprachlich zurechtgekommen?
Ich war sehr froh, dass ich vor dem Studienbeginn den fünfwöchigen Sprachkurs belegt habe, weil sich dadurch mein Hörverständnis stark verbessert hat, wie auch meine Fähigkeiten Spanisch zu sprechen. Trotzdem war es immer noch ziemlich schwierig die Spanier zu verstehen, weil sie allgemein sehr schnell sprechen und je weiter vom Süden sie herkommen, desto undeutlicher werden die Wörter ausgesprochen. Ich hatte ungefähr das Sprachniveau B1 als ich angekommen bin und habe dann als die Universität angefangen hat einen weiteren Sprachkurs angefangen, indem ich in B2 eingestuft wurde. Die Professoren sind durch ihr Sprechtempo und durch die Komplexität der Materie etwas schwieriger zu verstehen, aber gegen Ende des Semesters habe ich eigentlich fast alles verstanden. Ich würde aber empfehlen mindestens das Sprachniveau B1 zu erreichen, bevor man mit dem Austauschsemester anfängt.
Welche Kurse haben Sie an der Gastuni besucht?
Ich habe den Kurs Diseño Organizativo y Recursos Humanos, Fundamentos de Direccion Estratégica, Fundamentos de Marketing Internacional (alle auf Spanisch) und Economia Mundial (auf Englisch) belegt. Bei den meisten spanischen Kursen ist es so, dass sie 6 ECTS Punkte geben und dass jede Woche 2 Stunden Theorie und 2 Stunden Praxis unterrichtet werden. Die Praktika sind immer anders organisiert, beim Marketing Internacional zum Beispiel mussten wir jede Woche eine Gruppenarbeit schreiben, diese einreichen und präsentieren und bei anderen hat man lediglich Fälle während der Stunde zusammen gelöst. Zudem habe ich am „Centro de Idioma“ einen Sprachkurs belegt, den ich auch sehr empfehlen kann. Dieser kostet 100 Euro (inkl. Bücher) und dauert ein Semester, jeweils vier Stunden pro Woche und ist zudem von guter Qualität.
Welche dieser Kurse würden Sie zukünftigen Erasmus-Studierenden weiterempfehlen?
Fundamentos de Marketing Internacional und Diseño Organizativo y Recursos Humanos kann ich beides empfehlen, auch wenn das erste sehr zeitaufwendig ist. Direccion Estratégica hat mir nicht besonders gefallen, weil der Professor dieses Fach sehr monoton präsentiert hat und beim Fach Economia Mundial war das Problem, dass die Dozentin einen sehr starken spanischen Akzent im Englisch hatte.
Was hat Ihnen am Studium im Gastland besser gefallen als in Bern?
Besser gefallen hat mir, dass der Fokus in Spanien nicht nur auf der Theorie liegt, sondern dass in den Praktika auch Fälle bearbeitet werden, in denen das gelernte Wissen angewendet werden kann. Dies ist mit mehr Aufwand verbunden, allerdings wird dadurch auch bereits das Theoriewissen gefestigt. Was mir ebenfalls besser gefallen hat, sind die kleinen Gruppen in denen man arbeitet. Es gibt für jeden Kurs verschiedene Gruppen, so dass in der Vorlesung und der Theorie meistens nicht mehr als 40 Personen sitzen. Dies bietet die Möglichkeit zum besseren Austausch mit dem Dozenten. Ausserdem ist der Campus (Tarongers) sehr schön und gross. Es hat viele schattenspendende Bäume, mehrere Cafeterias mit Studentenpreisen und eine Mensa.
Was war im Gastland schlechter als in Bern?
Die Organisation wie auch die Infrastruktur war schlechter als in Bern. Die Organisation lässt allgemein etwas zu wünschen übrig. Oft muss für eine Information oder bis etwas erledigt wird mehrmals gefragt werden und es muss auch immer viel Papier ausgefüllt werden. Die Infrastruktur ist im Grossen und Ganzen in Ordnung. Es hatte einige Computer, die man benutzen konnte, die aber schon etwas älter waren und bei denen zudem die Nutzung ziemlich eingeschränkt war. Die Computer in der Bibliothek waren hingegen aktuell und schnell. Es ist aber sehr empfehlenswert einen eigenen Labtop mitzubringen, sofern das möglich ist, denn die Universität stellt gratis wireless Internetzugang zur Verfügung. Zudem ist es nur möglich Dokumente vom eigenen USB-Stick zu drucken und dafür ist ein eigener Computer schon sehr viel praktischer.
Was waren die „Highlights“ Ihres Auslandsaufenthalts?
Da gab es tausende! Einerseits all die neuen Kontakte mit den Austauschstudenten und den Spaniern. Ich habe sehr viele neue Leute kennen gelernt und auch viele Freunde gefunden. Es gibt neben der Universität immer ganz viele Aktivitäten und natürlich die Reisen in wunderschöne Städte wie Granada, Sevilla, Madrid, Toledo, etc. auf denen immer super Stimmung geherrscht hat und die sehr viel Spass gemacht haben. Natürlich auch dass sich die Sprachkenntnisse laufend verbessern und man am Ende eigentlich nur noch wenig Mühe hat einem Gespräch unter Spaniern zu folgen. Ebenfalls grossartig an sich ist die Stadt Valencia. Auf all den Plätzen im Zentrum herrscht bis spät in den Morgen Leben: Kinder, die Fussball spielen, Eltern, die sich aufgeregt unterhalten, Jugendliche, die sich mit Freunden treffen, etc. Zudem hat Valencia einen wunderschönen grossen langen Strand und viele Sehenswürdigkeiten in und um die Stadt. Fantastisch ist ebenfalls die „Ciudad de las Artes“. Eine moderne Konstruktion mit einer beeindruckenden Architektur mit Museen, Oper, IMAX-Kino und dem Oceonografic, dem grössten Aquarium Europas. Ein Highlight war für mich ebenfalls das Wetter. Die Regentage konnte man an einer Hand abzählen und es ist bis in den November hinein immer noch warm. Ebenfalls im Dezember gab es Tage an denen das Quecksilber wieder auf 22°C kletterte. Schliesslich auch das Essen. Es gibt nichts über eine feine Paella in einem sympathischen Restaurant am Strand mit ein paar Freunden zu geniessen.
Was waren die grössten Enttäuschungen während Ihres Auslandsaufenthalts?
Grosse Enttäuschungen gab es für mich eigentlich nicht. Das einzige, was mich ein bisschen enttäuscht hat, ist der schlechte Akzent der Dozenten, die in Englisch unterrichten.
Welche Tipps und Ratschläge haben Sie für Erasmus-Studierende, die zukünftig an Ihrer Gastuni studieren wollen?
Ich kann eine Sprachschule in Kombination mit einer Gastfamilie vor Studienbeginn sehr empfehlen, weil das eine sehr gute Einstimmung ist und das Hörverständnis bereits ein bisschen gefördert wird. Dies findet man beispielsweise durch die Organisation ESL (http://www.esl.ch/de/sprachaufenthalt.htm). Für die Wohnungssuche kann man bereits in der Schweiz anfangen, es ist aber eigentlich nicht nötig, da sehr viele Zettel mit Wohnungsangeboten in den Strassen der Universität verteilt sind und natürlich auch an den Universitätsgebäuden selbst zu finden sind. Ideal ist, wenn man sich eine Wohnung mit Spaniern sucht, so profitiert man am meisten vom Austauschsemester, sprachlich sowie auch kulturell. Es gibt auch viele Facebookgruppen für Erasmusstudenten in Valencia, die manchmal auch Wohnungen ausschreiben. Den Sprachkurs am „Centro de Idioma“ kann ich ebenfalls sehr empfehlen, da das Preis-Leistungs- Verhältnis sehr gut ist und der Kurs allgemein von guter Qualität ist. Was die Universität von Valencia betrifft, sollte man viel Verständnis und Geduld mitbringen, weil alles etwas länger dauert und man wahrscheinlich mehrmals nachfragen muss. Sobald aber die Internetadresse der Studienfächer und des Stundenplans bekannt ist, fällt es leichter sich zu informieren und zu organisieren. Um mit dem Handy zu telefonieren, ist der Anbieter yoigo im Inland am günstigsten und für internationale Gespräche happymovil. Für mich ist das Wichtigste, wenn man ein Austauschsemester machen möchte, dass man offen für Neues ist und sich interessiert dieses Land, die Kultur und die Leute kennen zu lernen.
Studierende der Universität Bern, die Rückfragen zu diesem Erfahrungsbericht haben, können beim Erasmus-Fachkoordinator des Departements BWL (erasmus@bwl.unibe.ch) die E-Mail-Adresse der Autorin bzw. des Autors erfragen.