Was für eine Unterkunft hatten Sie im Gastland? Wie haben Sie diese gefunden?
Ich habe nach längerem Suchen auf WG-Plattformen entschieden, eine Unterkunft über Airbnb zu buchen, da man sich dort über die Rezensionen vor Ankunft ein Bild der Situation machen kann und mir die WG-Ausschreibungen nicht immer geheuer waren. Auch wollte ich mit Italienern zusammenwohnen und so habe ich dann in einer Wohnung mit einer Schauspielerin, ihrer 22-jährigen Tochter und einem kleinen Hund zusammengewohnt. Ich bin nach wie vor sehr froh über diese Entscheidung, da sie mich gleich bei sich aufgenommen haben und wir ab und zu ein gemeinsames Abendessen organisiert haben. Der einzige Nachteil daran war, dass ich keine Freunde zum Essen einladen konnte und der Hund eine ziemliche Nervensäge war. Mein Zimmer lag an der Piazza Vittorio, im Rione Esquilino, einem multikulturellen und belebten Quartier, welches nahe am Bahnhof und dem Kolosseum, und zu Fuss etwa 20-30 min von der Uni entfernt liegt. Vorteilhaft an dieser Lage ist auch die Anbindung an die Metro A, welche den Bussen und Trams definitiv vorzuziehen ist.
Die meisten meiner Kolleginnen im Erasmus haben ihr Zimmer über Facebook-Gruppen gefunden, wie bspw. über die Erasmus-Gruppe des jeweiligen Semesters, der man auch beitreten kann, ohne bereits in Rom zu sein. Aufpassen muss man da einfach, dass das Zimmer nicht «schwarz» vermietet wird und man sollte sich im Vornherein darüber informieren, was für Regeln gelten (z.B. keine Gäste in der Wohnung, möglicherweise mühsamer Vermieter lebt in derselben Wohnung…).
Wie war die Betreuung durch die Gastuni? Gab es ein Orientierungsprogramm?
Die Betreuung der Gastuni war gut, denke ich (ich hatte nicht viel damit zu tun). Es gab eine Welcome Week in der ersten Woche. Diese war grundsätzlich recht gut organisiert und durch die zahlreichen ESN-Events konnte man schnell Leute kennenlernen, sich in der Stadt zurechtfinden und Erfahrungen austauschen. Das Anmeldeprozedere (alle möglichen Offices abklappern und anstehen) war auch weniger mühsam als erwartet. Leider war jedoch die Welcome Week an und für sich keine ganze «Week» sondern eher zwei Tage, an denen etwas an der Uni organisiert war, da hätte eine Führung über das Unigelände noch gut reingepasst – so mussten wir uns dann alleine auf dem riesigen Campus zurechtfinden. Da die Studierenden an der Uni jedoch sehr hilfsbereit sind, war das kein grosses Problem. Verwirrend war zu Beginn, dass die Informationen zu den Vorlesungen alle an unterschiedlichen Orten publiziert werden (mal im Vorlesungsverzeichnis, mal auf einer Webseite, mal auf ausgedruckten Blättern, die vor dem Ökonomie-Gebäude an der Wand hängen). So bin ich auch mal eine halbe Stunde im Gebäude umhergeirrt und ein hilfsbereiter Mann, welcher sich danach als Konferenzteilnehmer, der keine Ahnung der Uni hatte, herausstellte, versuchte mir zu helfen. Erst nach einigem Umherirren habe ich erfahren, dass die Vorlesung erst zwei Wochen später als die restlichen beginnt.
Wie war der Kontakt zu einheimischen Studieren? Wie war der Kontakt zu anderen Austauschstudenten?
Den Kontakt zu einheimischen Studierenden aufzubauen ist recht schwierig. Ich habe schlussendlich durch eine Gruppenarbeit einen römischen Studenten kennengelernt. Auch habe ich gleich zu Beginn zwei Tandempartner über eine darauf ausgerichtete Facebook-Page gefunden, welche ich fast wöchentlich getroffen habe. Dies hat mir sehr geholfen, mich in Rom wohl zu fühlen und auch etwas aus der Erasmus-Bubble auszubrechen. Den Kontakt zu anderen Austauschstudenten zu finden ist sehr leicht, da ständig Events von ESN organisiert werden (praktisch täglich) und sich ja jeder in derselben neuen Situation befindet. Mein Problem war eben eher, nicht nur in dieser Erasmus-Scheinwelt stecken zu bleiben.
Wie sind Sie sprachlich zurechtgekommen?
Da ich bereits vor meinem Aufenthalt recht gut Italienisch konnte, hatte ich sprachlich keine Schwierigkeiten. Da manchmal sogar junge ItalienerInnen schlecht bis gar nicht Englisch können, lohnt es sich, zumindest Grundkenntnisse der Sprache mitzubringen.
Welche Kurse haben Sie an der Gastuni besucht?
Ich habe an der La Sapienza in Rom zwei Kurse belegt: «Data Management for Data Science» (6 ECTS) vom Data Science Master und «Business Information Systems» (9 ECTS) vom BWL-Master. Data Management war sehr interessant und auch gut organisiert, da habe ich viel davon mitgenommen und würde es jederzeit wieder belegen. Das komplette Gegenteil war der andere Kurs – einer der unnötigsten und langweiligsten Kurse, den ich je besucht habe. Der eine der zwei Professoren (der Dekan der BWL-Fakultät!) kam regelmässig (sogar zur Prüfung) 40 min zu spät und ging auch wieder 20 min vor Vorlesungsende, der andere Professor chattete während unserer Präsentationen demonstrativ auf Whatsapp und liess offen durchblicken, dass er uns nicht zuhörte. Die schockierendste Erfahrung jedoch war, als die Noten registriert werden sollten: Der Assistent las vor allen Studierenden den Namen jedes einzelnen Studierenden vor, welche(r) sich dann melden musste, dann wurde die Note laut vorgelesen. Dies bedeutete, dass teilweise Studierende mit einer Note von 7.5/30 von 50 Mitstudierenden angegafft wurden, einzelne verliessen daraufhin weinend den Saal. Eine solche Situation soll jedoch auch für römische Verhältnisse nicht ganz normal sein – zumindest ist das dies, was andere Studierende mir danach versichert haben.
Ich habe zudem während des Semesters den C1-Italienischkurs besucht, der nach langer Nicht-Information dann doch irgendwann in der Mitte des Semesters begonnen hat und dann dafür sehr gut war.
Welche dieser Kurse würden Sie zukünftigen Erasmus-Studierenden weiterempfehlen?
Den Kurs «Data Management for Data Science» des Data Science Masters würde ich allen empfehlen, die sich für dieses Thema interessieren. Allgemein scheint mir der Data Science Master an der Sapienza sehr gut aufgebaut und auf einem hohen Niveau zu sein. Von den BWL-Kursen habe ich ein eher schlechteres Bild. Man muss dazu aber auch sagen, dass ich letztlich dort dann auch nur einen Kurs besucht habe («Business Information Systems»), welchen ich nicht empfehlen würde, ausser man nimmt für die 9 ECTS gerne einen langweiligen, fast schon komischen, Kurs und viel Wartezeit in Kauf. Den Italienischkurs wiederum würde ich allen unbedingt empfehlen!
Was hat Ihnen am Studium im Gastland besser gefallen als in Bern?
Vieles, was das tägliche Leben rund um die Arbeit / das Studium betrifft. Mir gefällt beispielsweise die Art der Italiener, offen gegenüber Gesprächen mit Fremden zu sein (z.B. an der Bar bei einem Kaffee oder im Zug). Diese warme Art wird mir in der Schweiz fehlen. Ein Spaziergang über die Via die Fori Imperiali oder der Sonnenuntergang vom Gianicolo aus wird nie langweilig und eine nächtliche Heimfahrt am Kolosseum vorbei ist für mich jedes Mal aufs Neue überwältigend. Und natürlich das Essen!
Was war im Gastland schlechter als in Bern?
Was die Uni betrifft sehr viel: die Organisation, die Seriosität (Spicken ist hier an der Tagesordnung und die Prüfungen können unendlich oft wiederholt werden), die Plastikflut in den Mensen, die ekelhaften Toiletten, die gerne demonstrierte Macht der Professoren gegenüber den Studierenden…
In Italien und insbesondere in Rom fand ich zudem den Umgang mit dem Müll schlimm.
Was waren die „Highlights“ Ihres Auslandsaufenthalts?
Der ganze Auslandaufenthalt war ein Highlight, ich finde es schwierig, daraus einzelne Highlights hervorzuheben. Ich bin nebst der Uni viel in Italien herumgereist, jede dieser Reisen waren ein Highlight für sich.
Was waren die grössten Enttäuschungen während Ihres Auslandsaufenthalts?
Im Grundsatz habe ich keine grossen Enttäuschungen erlebt. Was mich jedoch nach etwa 3 Monaten bestürzt hat, war einzusehen, wie viel davon wahr ist, was man sich von der Administration, dem Gesundheitssystem und den Unis in Italien erzählt. Dass ein Land mit einer so reichen und wunderschönen Kultur es nicht schafft, seine Ineffizienzen und Egoismen zu überwinden und dass das von der Mehrheit nicht hinterfragt wird.
Welche Tipps und Ratschläge haben Sie für Erasmus-Studierende, die zukünftig an Ihrer Gastuni studieren wollen?
Nicht alles gleich allzu ernst nehmen. Meist ergibt sich mit etwas Abwarten dann eine Lösung. Gewöhnt euch rasch daran, zu warten – herumstressen macht’s nicht schneller. Lernt bereits zuvor Italienisch und versucht, nebst den Erasmus-Events auch etwas vom alltäglicheren Rom mitzubekommen.
Es lohnt sich, bereits drei Wochen vor Semesterbeginn, in der ersten Welcome Week, anzureisen. So hat man mehr Möglichkeiten, Leute kennenzulernen und sich zurechtzufinden, bevor die Uni startet.
Für weitere Fragen dürft ihr mich gerne kontaktieren.
Studierende der Universität Bern, die Rückfragen zu diesem Erfahrungsbericht haben, können beim Erasmus-Fachkoordinator des Departements BWL (erasmus@bwl.unibe.ch) die E-Mail-Adresse der Autorin bzw. des Autors erfragen.