Was für eine Unterkunft hatten Sie im Gastland? Wie haben Sie diese gefunden?
Ich habe im Studentenwohnheim Sévigné gelebt. Die Uni hat mir diese Option vorgeschlagen und grösstenteils die nötige Organisation dazu übernommen. Mir blieb lediglich das Ausfüllen des Anmeldeformulars übrig.
Entscheidest du dich für das Studentenwohnheim, rate ich zu einer sofortigen Anmeldung. Die Plätze sind knapp und nicht beide zur Auswahl stehenden Wohnheime gleich beliebt. Sévigné ist relativ modern und die Lage ist unschlagbar (5 Minuten zum IGR, 15 Minuten in die Innenstadt).
Wie war die Betreuung durch die Gastuni? Gab es ein Orientierungsprogramm?
Die Betreuung der Gastuni liess leider zu wünschen übrig. Einzig kurz vor Semesterbeginn wurde ein Abend in einer Bar organisiert, wo ich zum ersten Mal den Grossteil der anderen Erasmus-Studenten kennenlernte. Doch auch dieser Abend war nicht direkt von der Uni, sondern von einer deren Studentenorganisationen, welche für internationale Studenten zuständig ist, geplant. Ansonsten erfuhr ich keine spezielle Betreuung. Weder das Gebäude noch bspw. das Pendant zu ilias & ksl wurden uns speziell gezeigt. Wir wurden so ziemlich ins kalte Wasser geworfen. Bei Schwierigkeiten hatten wir aber immer eine Ansprechperson im internationalen Büro.
Wie war der Kontakt zu einheimischen Studierenden? Wie war der Kontakt zu anderen Austauschstudenten?
Zu Einheimischen war es sehr schwierig, Kontakt zu knüpfen. Ich habe die Erfahrungen machen müssen, dass Franzosen wohl lieber unter sich bleiben. Einzig bei Gruppenarbeiten, was in Frankreich oft verlangt wird, hatte ich mehr mit Franzosen zu tun. Der Kontakt blieb aber hauptsächlich nur auf „Uni-Niveau“.
Eine weitere Möglichkeit bot sich im Unisport. Aber auch dort ging der Kontakt nicht über die Kurse hinaus.
Zu anderen Austauschstudenten ist es hingegen sehr leicht in Kontakt zu treten. Alle meine Freunde waren Erasmus-Studenten, mit welchen ich auch meine gesamte Freizeit verbracht hatte.
Wie sind Sie sprachlich zurechtgekommen?
Ziemlich gut. Ich hatte mein Französisch seit der Matura vor 3 Jahren eigentlich nie wirklich gebraucht, weshalb ich mich auch für eine französische Uni entschieden habe. Als ich dann ohne Vorbereitung in Frankreich ankam, brauchte ich schon etwas Zeit, um wieder in den Fluss zu kommen. Aber mit der Zeit ging es. Für mich sehr schwierig war ein Videodreh, welcher ich mit meiner Gruppe von 23 Studierenden für einen Kurs machen musste. Die vielen verschiedenen Akzente und die zum Teil geringe Rücksichtnahme der Franzosen liessen mich als totalen Mitläufer enden. Allgemein hatte ich mehr Mühe, die Jungen (als z.B. die Professoren) zu verstehen, da ich mit dem „français familier“ nicht vertraut war.
Welche Kurse haben Sie an der Gastuni besucht?
Ich habe sowohl am IGR (eine kleine, familiäre Management-Schule) als auch an der normalen Uni Kurse belegt. Am IGR habe ich Psychosociologie des Organisations, Gestion des Ressources Humaines, Jeu d’Entreprise besucht. Zudem habe ich, um etwas mehr Punkte zu sammeln, zwei englische Vorlesungen absolviert: Design Marketing sowie Retailing & Sales Promotion.
An der Université de Rennes 1 habe ich folgende drei Kurse besucht: Economie des Organisations, Economie des Ressources Humaines und Diagnostic Stratégique.
Welche dieser Kurse würden Sie zukünftigen Erasmus-Studierenden weiterempfehlen?
- Psychosociologie des Organisations: Die Vorlesung ist ziemlich speziell, der Professor springt vom einen zum anderen. Wirklich viel mitnehmen konnte ich davon nicht. Die Leistungskontrolle bestand aus einem Video, welches zwischen 10-15 Minuten dauern musste. Zusammen als 24-köpfige Gruppe mussten wir dann auch ein Dossier abgeben.
- Gestion des Ressources Humaines: Die Vorlesung konnte ich aufgrund einer Überschneidung leider nie besuchen. Dank einer lieben Französin kriegte ich allerdings die Notizen. Der Stoff war spannend, aber auch sehr grundlegend. In den drei TDs (travaux dirigés) mussten wir in Gruppen jeweils Aufgaben lösen, welche bewertet wurden (z.B. eine Stellenausschreibung verfassen). Ausserdem mussten wir auch in 6er-Gruppen eine Arbeit schreiben.
Diese beiden Vorlesungen sind nur im Doppelpack möglich. Es war eine spezielle Veranstaltung (Video sei dank) und ich bin hin- und hergerissen, ob ich sie nochmals wählen würde. Wer eine Abwechslung wünscht, ist hiermit sicherlich gut bedient.
- Jeu d’Entrerprise: Das einwöchige Seminar war mit Abstand das beste meines Austauschaufenthaltes, wenn nicht sogar das beste meiner bisherigen universitären Ausbildung. Zusammen mit sieben Franzosen bildete ich ein fiktives Unternehmen, für das wir sowohl Namen, Slogan, Logo erstellen musste. Wir standen mit fünf anderen Unternehmen (welche auch aus acht Studierenden bestanden) im Wettbewerb. Jeden Tag kriegten wir dann die Bilanz, Erfolgsrechnung und zusätzliche Informationen wie bspw. der Absatz und der Lagerbestand unserer Produkte. Es galt dann Entscheidungen zu treffen, um dann am nächsten Tag erneut den momentanen Marktanteil mitgeteilt zu kriegen. Zudem mussten wir sogenannte Challenges erledigen. Eine davon war die Kreierung eines Radio-Werbespots und einen dazugehörigen Budget- sowie Sendungsplan. Dieses Seminar empfehle ich zu 100% weiter!
- Design Marketing: Eine interessante Vorlesung, welche dazu führte, dass ich heute den Supermarkt mit anderen Augen betrete als zuvor. Nebst der Prüfung wird eine Gruppenpräsentation verlangt, in der wir vier Marken analysieren mussten. Diese Vorlesung würde ich erneut wählen.
- Retailing & Sales Promotion: Die Dozentin des Retailings sollte wohl jeder einmal erlebt haben! Sie war ziemlich unterhaltend und „feierte sich selbst“. Sich dabei noch einigermassen zu konzentrieren war nicht immer leicht. Zudem war ihr Englisch ziemlich akzentbehaftet („hello heverybody“). Inhaltlich habe ich aber was mitnehmen können. Sales Promotion fand ich eine sehr interessante Vorlesung, in welcher wir eine eigene Sales Promotion Strategy für ein vorgegebenes Produkt entwickeln mussten. Ich würde auch dieses Modul nochmals wählen.
- Economie des Organisation: Die Vorlesung war teils recht anspruchsvoll. Ich fand es aber eine gute Abwechslung zu den Veranstaltungen, die ich sonst besuchte. Es war nämlich etwas mehr VWL-lastig und eröffnete mir eine neue Sichtweise auf ein Unternehmen. Der Dozent war zudem super lieb und bot mir von Anfang an die Folien an (das ist nämlich in Frankreich grundsätzlich nicht der Fall).
- Economie des Ressources Humaines: Super Vorlesung! Sehr gut strukturiert und doziert. Auf jeden Fall empfehlenswert!
- Diagnostic Stratégique: Die Vorlesung war ein riesiges Chaos. Die Dozentin verzichte grösstenteils auf Folien, was es für mich ziemlich erschwerte. Nebst den Vorlesungsstunden hatten wir einem wöchentlichen TD (travaux dirigés), wo wir Praxisbeispiele analysierten. Die Abschlussarbeit, welche die strategische Analyse eines Unternehmens umfasste, war aufgrund der schlecht übermittelten Theorie anspruchsvoll. Diesen Kurs würde ich nicht empfehlen!
Was hat Ihnen am Studium im Gastland besser gefallen als in Bern?
Das IGR war viel familiärer als die Uni Bern. Wir hatten extrem viele Kurse in Kleingruppen. Dadurch wird alles viel interaktiver. Dies war zuerst einmal gewöhnungsbedürftig und ich fühlte mich zurück im Gymnasium. Durch die Behandlung des Stoffs sowohl in der Vorlesung als auch in den sogenannten TDs wird meiner Meinung nach das Wissen aber besser gefestigt.
Zudem hat mir das Seminar „Jeu d’entreprise“ super gefallen. In Bern gibt es kein vergleichbares Angebot.
Was war im Gastland schlechter als in Bern?
All das, was ich in Bern zuvor als ziemlich selbstverständlich erachtet habe. Beispielsweise die Organisation ist katastrophal. Informationen kriegt man meist – wenn überhaupt – last minute. Zudem habe ich des Öftern die Erfahrung gemacht, dass man von der einen Anlaufstelle zur anderen geschickt wird. Weiter ist die Pünktlichkeit in Frankreich so eine Sache. Ein Dozent kam eigentlich immer erst eine Viertelstunde zu spät zur Vorlesung. Zudem kam er zu meiner Prüfung (ich hatte als Erasmus-Studentin eine mündliche Prüfung) sagenhafte 30 Minuten zu spät.
Der Unialltag gefällt mir in Bern auch um einiges besser. Der Stundenplan änderte von Woche zu Woche. Zudem hatte ich teils Vorlesungen intensiv während 6 Wochen und dann dafür den Rest des Semesters gar nicht mehr. Was mich auch störte, waren die zweistündigen Vorlesungen ohne Pause. Wer bitte kann sich so lange konzentrieren?
Ausserdem tat ich mich etwas schwer mit dem Vorlesungsstil. Wenn die Dozenten Folien hatten, dann standen sie uns grösstenteils nicht zur Verfügung. Die Franzosen setzen sich deshalb einfach in die Vorlesung und schreiben die Folien ab.
Was waren die „Highlights“ Ihres Auslandsaufenthalts?
Es gibt zig Highlights, welche ich aufzählen könnte. Grob zusammengefasst würde ich allerdings die internationalen Freundschaften sowie die zahlreichen Ausflüge, welche wir unternommen haben, zu meinen Highlights zählen.
Was waren die grössten Enttäuschungen während Ihres Auslandsaufenthalts?
Eigentlich habe ich nicht viele Enttäuschungen während meines Aufenthaltes erfahren müssen. Hingegen gab es zahlreich zu meisternde Schwierigkeiten. Eine davon, welche ich als einzig erwähnenswerte Enttäuschung erachte, war die schwierige Gruppenfindung. In unserer „Klasse“ von 24 Studenten mussten wir vier Sechsergruppen bilden. Da ich ein bisschen überall war und nicht fix in einer „Klasse“, war es für mich schwierig, Anschluss zu finden. Trotz vermehrten Versuchen und einer direkten Anfrage an die inkomplette Gruppe wurde ich nicht fündig. Da fühlte ich mich schon etwas ausgeschlossen.
Ausserdem war ich von der Behandlung der internationalen Studenten durch die Gastuni etwas enttäuscht. Wir hatten keine spezielle Informations-, Hilfe- oder Einführungsveranstaltungen und wurden ins kalte Nass geworfen.
Welche Tipps und Ratschläge haben Sie für Erasmus-Studierende, die zukünftig an Ihrer Gastuni studieren wollen?
Versuche es möglichst locker zu nehmen und mit der Einstellung hinzufahren, dass am Schluss alles „gut“ kommt. Denn es bringt nichts, sich zu stressen, wenn man mal wieder keine Antwort auf eine Mail erhält, o.Ä. :-) Für konkrete Tipps stehe ich dir jederzeit zur Verfügung!
Studierende der Universität Bern, die Rückfragen zu diesem Erfahrungsbericht haben, können beim Erasmus-Fachkoordinator des Departements BWL (erasmus@bwl.unibe.ch) die E-Mail-Adresse der Autorin bzw. des Autors erfragen.