Was für eine Unterkunft hatten Sie im Gastland? Wie haben Sie diese gefunden?
Ich hatte ein Zimmer im Haus der Fondation Suisse in der Cité internationale universitaire de Paris (CIUP) und das war definitiv eines der Highlights. Das Haus und der gesamte Campus bieten kulturell oder bzgl. Sportangebot sehr viel. Auch wenn das Bewerbungsverfahren anfänglich vielleicht aufwändig erscheinen mag, ist der Aufwand über alles gesehen relativ gering. Ist man einmal eingezogen, muss man sich bspw. nicht noch um Internet kümmern etc.
Darauf aufmerksam wurde ich durch frühere Erfahrungsberichte.
Das Schweizer Haus ist eines der kleinsten auf dem Campus, es zählt rund 45 résidents. Ich erachte dies als sehr angenehme Grösse. Gerade wenn man nur 1 Semester dort lebt, hat man trotzdem die Möglichkeit, den Grossteil kennenzulernen. Die Hälfte der résidents ist Schweizer, die andere Hälfte kommt aus anderen Nationen. Unter den 50 % Schweizern hat es viele Romands oder Doppelbürger Schweiz/Frankreich. Die Umgangssprache ist Französisch. Die Anmeldefrist für ein Zimmer ist ziemlich früh --> unbedingt rechtzeitig informieren!
Wie war die Betreuung durch die Gastuni? Gab es ein Orientierungsprogramm?
Die Betreuung durch die Coordinatrice in Paris war ziemlich dürftig. Sie war zwar freundlich, aber machte nur das Nötigste. Ich hatte bspw. grosse Mühe, um die Kursbeschreibungen zusammenzutragen, welche die Uni Bern für das Learning Agreement benötigte. Dabei unterstützte mich die Coordinatrice in keinster Weise. Ein anderes Bsp.: 3 Tage vor meiner Abreise aus Paris erfuhr ich zufällig von einer französischen Kollegin, dass ich für eine Prüfung falsch eingeteilt wurde. Als einzige Erasmus-Studierende musste ich ein schriftliches 3-stündiges Essay mit den Muttersprachlern schreiben, während alle anderen Erasmus-Studierenden eine mündliche Prüfung hatten. Als ich deswegen die Coordinatrice kontaktierte, machte sie sich weder die Mühe abzuklären, wie es zu diesem Versehen kam, noch zu veranlassen, dass daraus für mich keine Nachteile entstehen. Sie konnte sich nur dazu durchringen, mir zu versichern, sie werde mein Prüfungsresultat abwarten und dann mal "schauen".
Es gab eine Erasmus-Infoveranstaltung an einem Freitag, bevor am Montag darauf das Semester begann. Das war ziemlich kurzfristig, vor allem da wir auch erst dann das Vorlesungsverzeichnis erhielten. Ein Götti-/Gotti- oder Mentoring-Programm gab es nicht.
Wie war der Kontakt zu einheimischen Studierenden? Wie war der Kontakt zu anderen Austauschstudenten?
Wenn man die einheimischen Studierenden um etwas bat, halfen sie einem meistens. Aktiv kamen sie aber eher selten auf einen zu. Eine gute Gelegenheit, um etwas besseren Kontakt zu jemandem zu knüpfen, waren Gruppenarbeiten oder gemeinsame Referate.
Der Kontakt zu anderen Austauschstudierenden war sehr gut. Viele hatten administrative Schwierigkeiten an der Uni, das verband und man half sich gegenseitig. Gerade weil der Zugang zu den einheimischen Studierenden nicht so einfach war, schweisste das zusammen.
Wie sind Sie sprachlich zurechtgekommen?
Nicht schlecht. Den Fachwortschatz kennt man nach einigen Wochen. Allgemein konnte ich mein Französisch sicher stark verbessern, kann aber leider nach wie vor nicht behaupten, dass ich sehr gute Kenntnisse habe. Immerhin habe ich nun einen Zugang zur Sprache, auf dem ich weiter aufbauen kann.
Glücklicherweise arbeiten inzwischen die meisten Dozierenden mit PowerPoint (in der Regel erhielt man die Folien jedoch nicht, sondern musste sie abschreiben!). Schwierig für Nicht-Französischsprachige war hingegen, wenn sie Dinge diktierten, was häufig vorkam.
Von der Uni aus hätte es einen Französischkurs gegeben, der aber leider nicht richtig in die Gänge kam. Die Lehrerin meiner Gruppe kündigte kurzfristig vor der 1. Unterrichtslektion, der Kurs fiel mehrere Wochen lang aus und bis eine Nachfolge gefunden werden konnte, war beinahe das halbe Semester um.
Welche Kurse haben Sie an der Gastuni besucht?
BWL: Marketing international, Gestion des ressources humaines (GRH), Théorie des organisations, Fondements culturels des économies (wird als einziger von VWL angeboten).
Zudem darf in einem Nebenfach noch ein einzelner Kurs gewählt werden (Sprachwissenschaft: Sémiologie des textes et des images médiatiques).
Welche dieser Kurse würden Sie zukünftigen Erasmus-Studierenden weiterempfehlen?
Alle ausser „Fondements culturels des économies“. Der Professor dort referierte ohne PowerPoint, es war daher anspruchsvoll zu folgen und zudem schien er Studierende nicht besonders zu mögen und hielt immer zu Beginn der Vorlesung eine Standpauke, teilweise bis zu einer halben Stunde lang.
GRH ist übrigens nicht äquivalent mit Personalmanagement der Uni Bern.
Was hat Ihnen am Studium im Gastland besser gefallen als in Bern?
Nicht besser, aber sehr gut war der Uni-Sport, der auch eine gute Möglichkeit bot, um andere Studierende kennenzulernen, sowie die neue Uni-Bibliothek im Centre Assas mit hilfsbereitem Personal, genügend freien Plätzen und sogar Sitzsäcken.
Was war im Gastland schlechter als in Bern?
Generell hätte ich von Frankreich als Nachbarland nicht erwartet, dass viele Dinge derart anders funktionieren, so auch an der Uni. Oft hatte ich den Eindruck, dass stark auf Quantität gesetzt wird. Vorlesungen dauern bspw. nicht wie in der Schweiz üblich 2 Lektionen, sondern 3 Stunden (also nicht Lektionen!). Dazu gehören noch Übungen von 1.5 Stunden. Häufig fielen Kurse aus, mussten dann aber zu den unmöglichsten Zeiten nachgeholt werden und überschnitten sich dabei manchmal mit anderen Kursen.
Was waren die „Highlights“ Ihres Auslandsaufenthalts?
Paris als Touristin ist definitiv wunderbar, wenn man so richtig die Vorzüge dieser Weltstadt geniessen kann. Herausstreichen möchte ich die super Boulangeries und das vélib'-Angebot, ein Mietvelosystem (vélib' = vélo + liberté). Das ist einerseits eine günstige Möglichkeit der Mobilität, anderseits erfährt man damit die Stadt buchstäblich anders, als wenn man nur mit der Métro von einer Station zur nächsten "hüpft". Zudem würde ich auch Nicht-Museums-Fans empfehlen, unbedingt einmal ein Museum zu besuchen, z. B. den Louvre oder das Musée d'Orsay. Die Dimensionen sind gigantisch und schon alleine die Gebäude sind ein Erlebnis.
Was waren die grössten Enttäuschungen während Ihres Auslandsaufenthalts?
Enttäuschend waren vor allem Momente wie wenn man Kursbeschreibungen nachrennt, und diese partout nicht erhält oder der Fall mit der falschen Prüfungseinteilung – und niemanden kümmerts. Oder als eine Übungsleiterin sagte, sie werde die Noten für die Referate bekannt geben und dann noch kurz zu mir kam und fragte, mit wem ich das Referat hielt. Offenbar hatte sie 2 Referatsgruppen vermischt. Sie versprach uns Betroffenen, dem nachzugehen und uns die Note am Abend zu mailen. Bis wir schlussendlich die Noten erhielten, dauerte es rund einen Monat und mehrere Nachfragen waren nötig. Solche Situationen, in denen man eigentlich im Recht ist, aber nicht weiterkommt und keinerlei Unterstützung erhält, waren schon ziemlich frustrierend.
Bestimmt werde ich aber mit etwas mehr Distanz über gewisse Uni-Anekdoten schmunzeln können.
Welche Tipps und Ratschläge haben Sie für Erasmus-Studierende, die zukünftig an Ihrer Gastuni studieren wollen?
Ich denke, dass der Austausch mit anderen sehr wichtig ist. Viele andere ausländische, aber auch französische Studierende hatten ebenfalls mit der Administration an der Uni und bei sonstigen Institutionen zu kämpfen. Es ist tröstlich, wenn man das weiss und sich zudem gegenseitig mit Ratschlägen unterstützen kann.
Auch wenn es nicht immer einfach war, erachte ich die Erfahrungen trotzdem – oder gerade deswegen – als wertvoll.
Studierende der Universität Bern, die Rückfragen zu diesem Erfahrungsbericht haben, können beim Erasmus-Fachkoordinator des Departements BWL (erasmus@bwl.unibe.ch) die E-Mail-Adresse der Autorin bzw. des Autors erfragen.