Was für eine Unterkunft hatten Sie im Gastland? Wie haben Sie diese gefunden?
Als Unterkunft hatte ich ein Zimmer in einer Uniresidenz, inklusive Bett (mit Matratze, was auf dem Privatmarkt nicht üblich war), Schreibtisch mit Stuhl, Gestell, Garderobe und Kaltwasser-Lavabo mit Spiegel. Küche, Duschen sowie Toiletten teilte ich mit rund zehn weiteren Studierenden. Die Residenz war modern, sauber und mit dem Fahrrad innerhalb weniger Minuten vom Stadtzentrum aus erreichbar. Da ich erst eine Woche vor Semesterbeginn vor Ort eine Unterkunft suchte, war auf dem Privatmarkt kaum mehr etwas vorhanden, das in punkto Lage, Qualität sowie Sauberkeit etwas hermachte. Daher kontaktierte ich das Housing Office meiner Gastuni, das jeweils einige der eigenen Residenzzimmer bis kurz vor Semesterbeginn zurückhält. Auf diese zurückgehaltenen Zimmer hat jedoch niemand festen Anspruch, da diese vorwiegend als «Notfallzimmer» funktionieren, falls z.B. jemand mit einer strengen Budgetrestriktion auf dem Privatmarkt absolut gar nicht mehr fündig werden kann. Daher gehörte bei mir etwas Glück dazu, dass ich schliesslich in den Genuss eines solchen Residenzzimmers kam.
Wie war die Betreuung durch die Gastuni? Gab es ein Orientierungsprogramm?
Die Betreuung durch die Gastuni war von Anfang bis Ende durchgehend sehr professionell, schlank und speditiv. Besonders nennenswert sind dabei die schlanke (und einzige) Zulassungsprozedur auf Gesamtunistufe, die persönliche sowie frei von Strömungsabbrüchen gewesene Betreuung durch die Erasmus-/SEMP-Incomings-Verantwortliche auf Fakultätsstufe und das (internationale) Orientierungsprogramm auf Gesamtunistufe eine Woche vor Semesterbeginn. Letzteres umfasste eine komplette Woche inklusive Wochenende, war in akademischer sowie sozialer Hinsicht äusserst nützlich und kann ich jederzeit wärmstens empfehlen.
Wie war der Kontakt zu einheimischen Studierenden? Wie war der Kontakt zu anderen Austauschstudenten?
Im Hinblick auf den Kontakt zu einheimischen Studierenden war das internationale Orientierungsprogramm etwas mehr Fluch als Segen. Zum Zeitpunkt des Semesterbeginns und damit der Rückkehr der einheimischen Studierenden zurück an die Uni waren internationale Studierende meist bereits fest in «Freundeskreise» eingebunden, die eine Woche zuvor während des Orientierungsprogramms entstanden waren und dadurch ausschliesslich aus internationalen Peers bestanden. Nichtsdestotrotz existierten danach ausreichend Möglichkeiten, sei dies beim Unikursbesuch, Unisport oder Feiern gewesen, um einheimische Studierende kennenzulernen. Die eigene Fachschaft wäre dabei sicherlich auch eine Hilfe gewesen, um eine Brücke zu schlagen. Denn einerseits existierten zwar explizit Events für internationale sowie anderseits aber auch welche für sämtliche (internationale und einheimische) Studierende einer Fachrichtung. Persönlich pflegte ich einen regelmässigen Kontakt zu meinen einheimischen Hallway Mates in meiner Uniresidenz, da ich dort der einzige internationale Studierende war. Der Kontakt mit anderen Austauschstudierenden war wie erwartet überaus trivial herzustellen (v.a. dank Orientierungsprogramm). Die Herausforderung bestand eher darin, hinter Hunderten von neuen Gesichtern ein paar Menschen zu finden, welche hinsichtlich des Aufenthalts ähnliche Vorstellungen, Ideen sowie Interessen hatten. Dies war jedoch sehr spannend und auf jeden Fall machbar.
Wie sind Sie sprachlich zurechtgekommen?
Sprachlich kam ich problemlos zurecht. Ich hatte weder im Vorfeld meines Aufenthalts Sprachkurse in Anspruch genommen, noch während des Semesters welche besucht. Mein Aufenthalt ermöglichte es mir, v.a. meine mündlichen Englischkenntnisse auszubauen und sogar etwas Niederländisch zu erlernen, z.B. um zu kommunizieren, dass ich im Restaurant mit der Kreditkarte bezahlen möchte. An dieser Stelle sollte ich erwähnen, dass meine beiden Unikurse in Englisch abgehalten wurden und zwar auf einem Niveau, das sich von jenem englischer Unikurse an der Uni Bern nicht unterschied.
Welche Kurse haben Sie an der Gastuni besucht?
Ich besuchte «Principles of Database Management» – eine 6-ECTS-Vorlesung, die integraler Teil der Wirtschaftsinformatik-, Wirtschaftsingenieurs- sowie Biomedizin-Ingenieursprogramme auf Masterstufe war. Dann nahm ich zudem an der 4-ECTS-Vorlesung «Cognitive Science» teil, die im Rahmen des Artificial-Intelligence-Masterprogramms sowie auch internationalen Studierenden angeboten wurde.
Welche dieser Kurse würden Sie zukünftigen Erasmus-Studierenden weiterempfehlen?
Aus didaktischer und methodischer Sicht kann ich beide Kurse wärmstens empfehlen. Die Dozenten waren professionell, engagiert und äusserst kompetent. Auch der Aufwand für die beiden Kurse war unter dem Strich adäquat. «Principles of Database Management» enthielt eine Assignment-Komponente, in deren Rahmen zwei aufwändige aber sehr lehrreiche Assignments eingereicht wurden. Der schriftliche Leistungsnachweis am Semesterende war hingegen weniger herausfordernd: Verschiedene behandelte Konzepte wurden anhand offener Fragen isoliert voneinander und von einem tiefergehenden Anwendungskontext abgefragt – wer gelernt hatte, sollte keine Probleme haben, zumal man für diese Closed-Book-Prüfung mit drei Stunden weitaus genügend Zeit zur Verfügung hatte. «Cognitive Science» umfasste nebst einem schriftlichen Leistungsnachweis am Semesterende eine Essay-Komponente (mind. sechs bis max. zwölf Seiten). Dabei war Kreativität gefragt, weil man eine aktuelle Journalpublikation mit mind. einem Kapitel jenes Buches verknüpfen sollte, das den Kurs begleitete. Auch die Half-Open-Half-Closed-Book-Prüfung war ähnlich bezüglich ihrer Aufgabenstellungen, da behandelte Konzepte auf eine Weise verknüpft werden sollten, wie es im Kurs selbst nie gesehen worden war. Dies war spannend und durchaus machbar – nicht zuletzt, weil man mit wiederum drei Stunden erneut genügend Zeit und Musse hatte, um etwas kreativ zu sein. Betreffend Kursinhalte war es in jedem Fall zielführend, sich vor Kursbesuchen auf den jeweiligen Kursauftritten im Web schlau zu machen, da diese ziemlich detailliert waren bezüglich Voraussetzungen, Syllabi und Arten von Leistungsnachweisen. Während «Principles of Database Mangement» ein tendenziell «klassischer» Informationsmanagementkurs war, befand sich «Cognitive Science» an der multidisziplinären Schnittstelle zwischen Neurowissenschaft, (kognitiver) Experimentalpsychologie, Informatik (v.a. Künstliche Intelligenz), Philosophie (v.a. Logik) sowie Sozialanthropologie, wobei die ersten beiden Disziplinen im Kurs besonders gewichtet wurden.
Was hat Ihnen am Studium im Gastland besser gefallen als in Bern?
Es war erfrischend, ein Semester an einer solch grossen Uni zu verbringen. Meine Gastuni hatte 15 Fakultäten und alleine auf dem Campus Leuven rund 42 000 Studierende. Spannend war auch zu sehen, welchen Einfluss die Präsenzen meiner Gastuni und deren Studierenden auf die Stadtidentität sowie -entwicklung hatten – egal, was ich im Vorfeld meines Auslandsaufenthalts in punkto Studierenden- oder Unistadt gesehen oder gehört hatte, Leuven setzte in jederlei Hinsicht neue Massstäbe. Für mich persönlich war dies v.a. zu Beginn extrem interessant und es gefiel mir gut. Über Zeit hingegen wurde dies tendenziell zu einem weiteren Grund, an den Wochenenden zu verreisen und etwas mehr urbane Diversität zu erleben.
Was war im Gastland schlechter als in Bern?
Die Administration der schriftlichen Leistungsnachweise am Semesterende war etwas irritierend, gerade weil man sich sonst übergreifend eine professionelle Betreuung durch die Gastuni gewohnt war. Beispielsweise war bei keiner meiner beiden Prüfungen im Voraus bekannt, wie lange diese tatsächlich dauern würden. Wir Studierende erfuhren es schliesslich wenige Minuten vor Prüfungsbeginn. Weiter war es üblich, dass mehrere schriftliche Prüfungen, teils mit unterschiedlichen Dauern (!), im selben Raum stattfanden. Auch gewöhnungsbedürftig war, dass eine Vielzahl Studierende (viel) zu spät zum Prüfungsbeginn kam. All dies führte zu einer generell unruhigen Atmosphäre während der Prüfungen.
Was waren die „Highlights“ Ihres Auslandsaufenthalts?
Weil meine Unikurse am Campus Leuven meiner Gastuni stattfanden (es hätte auch Campus z.B. in Brüssel oder Antwerpen gehabt), hatte ich auch meine Unterkunft dort. Obwohl ich Leuven bereits nach einiger Zeit gesehen hatte, gab es aufgrund der im Flachland (insbesondere Belgien und Niederlande) sehr kurzen Reisezeiten zwischen Grossstädten mehr als genug Gelegenheiten, pulsierende und authentische Metropolen (zu erschwinglichen Zugfahrtpreisen) zu besuchen. So kam es, dass ich beinahe jedes Wochenende ausserhalb von Leuven verbrachte. In diesem Zusammenhang war ich jeweils mit einer Handvoll Erasmus-Mitstudierender unterwegs, ohne welche meine Ausflüge und Reisen nicht dasselbe gewesen wären. Diese Kombination von Reisen und neugewonnenen Freundschaften war eindeutig das Highlight meines Auslandsaufenthalts.
Was waren die grössten Enttäuschungen während Ihres Auslandsaufenthalts?
Es gab glücklicherweise keine grösseren Enttäuschungen während meines Auslandsaufenthalts.
Welche Tipps und Ratschläge haben Sie für Erasmus-Studierende, die zukünftig an Ihrer Gastuni studieren wollen?
Zuerst möchte ich zukünftigen Erasmus-Studierenden ans Herz legen, bezüglich dieser letzten Frage die Erfahrungsberichte meiner Vorgänger/innen zu lesen – die Berichte sind erschöpfend, überaus hilfreich und treffen den Nagel auf den Kopf, besonders betreffend Administration sowie Engagement an und nebst der Gastuni. Nichtsdestotrotz möchte ich hier noch ein paar Kulturlokale und Szenenspots in Leuven und Brüssel empfehlen, wo sich ein Besuch jederzeit lohnt: In Leuven sind dies (1) STUK (Café, Restaurant, Bar, Kino, Arts Center), (2) OPEK (Café, Restaurant, Arts Center), (3) Cinema ZED (Kino), (4) BAR STAN (Café, Restaurant, Bar), (5) KAMINSKY (Café, Restaurant, Bar), (6) MOK (Café) sowie (7) HAL 5 (Food Hall), und in Brüssel (8) BOZAR (Café, Restaurant, Bar, Kino, Arts Center), (9) flagey (Café, Kino, Arts Center), (10) beursschouwburg (Café, Bar, Kino, Arts Center), (11) RECYCLART (Café, Restaurant, Bar, Arts Center), (12) Bonnefoi (Bar) sowie (13) Halles de Saint-Géry (Food Hall, Bar).
Studierende der Universität Bern, die Rückfragen zu diesem Erfahrungsbericht haben, können beim Erasmus-Fachkoordinator des Departements BWL (erasmus@bwl.unibe.ch) die E-Mail-Adresse der Autorin bzw. des Autors erfragen.