Was für eine Unterkunft hatten Sie im Gastland? Wie haben Sie diese gefunden?
Ich habe mich schon vier Monate vor Beginn des Auslandssemesters intensiv mit der Wohnungssuche auseinandergesetzt. Mit einer Westschweizerin, die ich in einer Facebook-Gruppe kennengelernt hatte, habe ich einerseits zwei weitere Mitbewohner und andererseits eine Wohnung für 4 Personen gesucht. Für die Dauer des Semesters eine möblierte Wohnung zu mieten, ist in Budapest schon fast der Regelfall für Studenten aus dem Ausland, da manche Studentenheime für Ungarn selbst oder Studenten aus Übersee reserviert sind. Ausserdem habe ich bei meiner Recherche im Vorfeld nicht gerade lobende Worte für die eher dezentral gelegenen Unterkünfte gelesen. Daher war die Entscheidung, eine möblierte Wohnung im Stadtzentrum zu suchen, schnell getroffen. Auf Facebook waren schon früh dubios anmutende Angebote zu finden. Manche Studenten haben auch erst eine Wohnung gesucht, als sie selbst in Budapest waren, um eine böse Überraschung vor Ort zu vermeiden. Wir wollten uns aber kurz vor Semesterbeginn nicht mehr um die Wohnungssuche kümmern und haben daher entschieden, im Voraus online zu buchen. Schliesslich sind wir bei der uns vertrauenswürdig scheinenden Agentur SRS gelandet, die ein grosses Angebot an möblierten Wohnungen für Studenten in Budapest hatte. Der ganze Prozess gestaltete sich etwas umständlich, da etwa unsere Fragen erst nach langer Wartezeit beantwortet wurden. Wir haben später auch auf Anfrage keinen schriftlichen, von beiden Parteien unterzeichneten Mietvertrag im Voraus gekriegt - der werde dann vor Ort überreicht, hiess es. Zudem mussten wir auf die Echtheit der gut aussehenden Bilder auf der Website vertrauen. Am Ende hat zum Glück alles geklappt. Der Preis (300 Euro pro Monat pro Zimmer plus Nebenkosten) war für Budapester Verhältnisse sicherlich etwas zu hoch angesetzt. Berücksichtigt man allerdings, dass wir ein paar Tage früher einziehen konnten, die Wohnung genau den Bildern entsprochen hat, wir eine sehr hilfsbereite und freundliche Vermieterin hatten, die Wohnung ausserordentlich zentral gelegen und täglich 24 Stunden perfekt erreichbar war (eine Tramhaltestelle der Linien 4/6, die rund um die Uhr fahren, lag quasi vor unserer Haustür), rechtfertigte sich dieser Preis wiederum. Ich war mit der Unterkunft sehr zufrieden und fand es spannend und bereichernd mit Leuten unterschiedlicher Herkunft zusammenzuwohnen, die ich vorher nicht kannte.
Wie war die Betreuung durch die Gastuni? Gab es ein Orientierungsprogramm?
ESN Corvinus hat in der Zeit vor Semesterbeginn eine "Hostel Week" durchgeführt und jeden Tag verschiedene Aktivitäten sowie Stadtführungen organisiert. So hat man in kürzester Zeit bereits sehr viele Leute kennengelernt. Zudem wurden mehrere Trips durchgeführt und während des ganzen Semesters mindestens einmal pro Woche eine spezielle Aktivität organisiert. Die Gastuni selbst hat einen Orientierungstag speziell für Erasmus-Studenten sowie eine gross angelegte und eindrücklich inszenierte Semestereröffnungsfeier veranstaltet. Via E-Mail wurde man ständig auf dem aktuellsten Stand gehalten bezüglich Deadlines. Wann immer man eine Frage hatte, konnte man sich an die zuständigen Koordinatoren wenden und erhielt in der Regel in sehr kurzer Zeit eine hilfreiche Antwort. Das International Office hatte an den meisten Wochentagen geöffnet und war bei Fragen sehr hilfreich.
Wie war der Kontakt zu einheimischen Studierenden? Wie war der Kontakt zu anderen Austauschstudenten?
Was mich zu Beginn etwas verwundert hat war, dass in all meinen Kursen ausschliesslich Erasmusstudenten waren. Dank ESN und Tandemprogramm hatte man durchaus Kontakt zu ungarischen Studenten, aber in den Kursen selbst – zumindest in meinem Fall – gar nicht. Das fand ich etwas schade, und ich bin mir immer noch nicht ganz sicher, ob die Uni das absichtlich so steuert, oder ob die ungarischen Studenten Kurse in ungarisch bevorzugen und deshalb vom Angebot in Englisch nur begrenzt oder gar nicht Gebrauch machen. Der Kontakt zu anderen Austauschstudenten war ausgezeichnet. Es gab schier unendlich viele Möglichkeiten, neue Leute kennenzulernen. Der Zusammenhalt und die Stimmung unter der riesigen Menge Erasmus-Studenten war ausgezeichnet. Die meisten Austauschstudenten stammten aus Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Skandinavien, Italien und Amerika.
Wie sind Sie sprachlich zurechtgekommen?
In Ungarn kann man sich oft in Englisch, manchmal sogar in Deutsch verständigen. An der Uni habe ich trotzdem einen Ungarischkurs für Anfänger besucht. Die dort gelernten Grundlagen haben mir dann auch sehr geholfen, mich in typischen Alltagssituationen zu verständigen. Allerdings gab es auch Momente, in denen ich auf die Unterstützung meiner Tandem-Partnerin oder ungarischer Freunde angewiesen war. In öffentlichen Betrieben (z.B. bei der Post oder im Zug), in der Apotheke oder im Supermarkt sprechen viele Angestellte ausschliesslich ungarisch, was die Verständigung zuweilen anspruchsvoll gemacht hat. Die Menschen waren aber zu jedem Zeitpunkt sehr freundlich und hilfsbereit. So kam es öfter vor, dass andere Kunden oder Mitreisende spontan als Übersetzer eingesprungen sind.
Welche Kurse haben Sie an der Gastuni besucht?
Ich habe folgende Kurse besucht:
- Management Skills (6 ECTS)
- Comparative Cross-Cultural Management (6 ECTS)
- Doing Business in Emerging Markets (6 ECTS)
- Hungarian for Beginners I (6 ECTS)
Welche dieser Kurse würden Sie zukünftigen Erasmus-Studierenden weiterempfehlen?
Ich kann alle Kurse weiterempfehlen. „Management Skills“ und „Doing Business in Emerging Markets“ waren sehr praxisorientiert und für mich ausserordentlich lehrreich. Im Kurs „Comparative Cross-Cultural Management“ wurde viel Wert auf die Diskussion und das Reflektieren des Vorlesungsstoffs gelegt, weswegen man sich die Inhalte auch nachhaltig einprägen konnte. Es war sicherlich eine gute Entscheidung, den Ungarischkurs zu belegen, auch wenn ich mir den in Bern nicht anrechnen lassen kann. Der Aufwand für diesen Sprachkurs war relativ gering und hat mir in vielen Alltagssituationen geholfen, mich zu verständigen.
Was hat Ihnen am Studium im Gastland besser gefallen als in Bern?
Für mich sehr interessant war, dass alle Kurse Seminarcharakter hatten - keiner meiner Kurse wurde von mehr als 25 Mitstudenten belegt. Die Räumlichkeiten sind darauf ausgelegt und erinnerten eher an Schulzimmer in einem Gymnasium als an Hörsääle. Interaktivität war in allen Kursen von grosser Bedeutung, was ich sehr positiv fand. Das Studentenleben habe ich zudem als deutlich intensiver erlebt als in Bern, wobei das sicherlich auch mit der Einmaligkeit der Erfahrung zusammenhängt.
Was war im Gastland schlechter als in Bern?
In Bern werden die Erasmus-Studenten ziemlich gut in die normalen Vorlesungen integriert, die auch die regulären Schweizer Studenten besuchen. Durch Gruppenarbeiten findet zudem ein reger Austausch zwischen allen Studenten statt. Ich hätte es bereichernd gefunden, wenn auch ich in Ungarn auf diese Weise noch mehr ungarische Studenten kennengelernt hätte.
Was waren die „Highlights“ Ihres Auslandsaufenthalts?
Budapest hat unglaublich viel zu bieten. Ob kulturell, sportlich (z.B. die tolle Joggingstrecke auf der Margareteninsel), kulinarisch oder bezüglich Nachtleben – es läuft immer irgendwo etwas. Die Stadt ist für an Schweizer Preise gewohnte Studenten geradezu ein Paradies. Die Preise für Essen und Getränke, Eintritte in Kinos, Clubs oder Museen, ÖV-Tickets oder Dienstleistungen wie einen Haarschnitt sind enorm niedrig. Es ist quasi ausgeschlossen, dass es einen während einem Aufenthalt in dieser Stadt je langweilig werden sollte. Die verschiedenen Reisen in osteuropäische Länder (z.B. Rumänien, Bulgarien) haben mir ebenfalls ausgezeichnet gefallen. Somit war eigentlich jeder einzelne Tag meines Semesters ein Highlight.
Was waren die grössten Enttäuschungen während Ihres Auslandsaufenthalts?
Die grösste Enttäuschung war sicherlich der Tag der Abreise und die Tatsache, dass man sich von so vielen Leuten, mit denen man über ein ganzes Semester so viel erlebt hat, wieder verabschieden muss. Es besteht in der Tat eine gewisse Gefahr, nach der Rückkehr in einen depressionsähnlichen Zustand zu verfallen. Man ist sich zwar immer bewusst, dass das Semester irgendwann zu Ende geht. Dass der Abschied aber so schwer fallen würde, hatte ich nicht erwartet.
Welche Tipps und Ratschläge haben Sie für Erasmus-Studierende, die zukünftig an Ihrer Gastuni studieren wollen?
Kümmert euch früh genug um die Kurse, die ihr belegen wollt. Das Anmeldefenster ist kurz, und die teils stark limitierten Plätze sind schnell ausgebucht. Das Wichtigste aber: Lasst euch nicht von organisatorischen Hürden abhalten und profitiert von der Möglichkeit, diese einmalige Erfahrung selbst zu machen – ob an der Corvinus Universität oder woanders. Ich kann Budapest und meine Gastuni aber definitiv nur weiterempfehlen!
Studierende der Universität Bern, die Rückfragen zu diesem Erfahrungsbericht haben, können beim Erasmus-Fachkoordinator des Departements BWL (erasmus@bwl.unibe.ch) die E-Mail-Adresse der Autorin bzw. des Autors erfragen.